Love Cans, Embet Henx, Pussyliquor [25.11.17]

Von verrückten und pogenden Künstlern

[Artikel]


Hey, hier kommt mein zweiter Blog-Eintrag :)

 

Dieses Mal geht es so ziemlich um das musikalische Gegenstück zum letzten Mal. Pogen, Schweiß und Screaming statt gesitteter akustischer Gitarrenklänge. Ich freue mich wie immer über Resonanz oder Anregungen.

Um genau zu sein, muss ich mit dem Blog-Eintrag bereits eine Woche vor dem eigentlichen Konzert anfangen. Wir waren in einem kleinen Restaurant zum Frühstücken. Typisch britisch – Spiegelei, Bacon, Toast und natürlich Baket Beans. Mir sind die Leute an einem unserer Nachbartische aufgefallen und ich meinte so „Die haben bestimmt 'ne Band“. Kurz vor unserem Aufbruch hab ich mir dann ein Herz genommen und sie angesprochen. Sie hatten tatsächlich eine Band; und prompt bekam ich einen Flyer und eine Einladung für das nächst' anstehende Konzert.

 

Dieses fand dann am 21. Oktober statt. Ein Samstagabend. Wie ich erfahren musste, nehmen britische Veranstalter im Internet angekündigte Zeiten jedoch ebenso wenig genau, wie ich es von heimatlichen Veranstaltungen kenne. Eine Weile später als angenommen ging es dann also los. Doch vielleicht sollte ich erst einmal den Veranstaltungsort etwas genauer beschreiben.

 

Der Cowley Club nennt sich selbst einen „social centre“ und ist in der Hinsicht ein Bilderbuch-Beispiel für einen linken, weltoffenen, sozialen, wir-grenzen-niemanden-aus (außer selbstverständlich Rassisten & Faschisten)-Club. Neben Getränken, Büchern zum Leihen und Kaufen und eben Live-Bands findet man hier diverse andere Angebote und Aktivitäten wie beispielsweise wöchentliche Yoga-Stunden oder Englisch-Unterricht für Ausländer (beides kostenlos). In der Woche nach dem Konzert gibt es eine Veranstaltung mit dem Autor des Buches „Pirates, Punk & Politics“ über den deutschen Fußballverein „St. Pauli“, der sogar mir als Nicht-Fußball-Interessierter als Fußballclub mit einer 'besonderen' Fanbase ein Begriff ist. Zu kaufen gibt es „die Art von Bücher, die man nirgendwo sonst findet“ (so auf der Facebookseite beschrieben) und natürlich spielen Begriffe wie 'vegan' und 'organic fair trade' eine wichtige Rolle. Wifi ist selbstverständlich auch kostenlos zugänglich. Auf der Facebookseite erfährt man außerdem, dass ausschließlich Freiwillige im Cowley Club tätig sind, niemand Geld für seine Arbeit bekommt und kein Profit erzielt wird. Als Geschäftsführer ist nur „You“ angegeben. Ziemlicher Anarchie-Flair soweit...

 

Es gibt viel zu entdecken, das Auge kommt bei all den Flyern, Aushängen und Plakaten kaum hinterher. So manches Plakat bleibt dabei durch auffallende Radikalität besonders im Auge, was meiner Meinung nach eigentlich nicht sein muss... Eine Bühne in dem Sinne gibt es nicht: Die Band performt einfach vor dem Publikum im Raum. Eine Trennung oder Erhebung gibt es nicht; was für einen kleinen „Underground-Club“ aber auch nicht besonderes außergewöhnlich ist und vor allem die Bindung zwischen Muikern und Publikum verstärkt, was die beiden ersten Bands auf extreme Weise beweisen werden... Was ich auch noch nie gesehen habe: Vor dem Eingang muss man erst klingeln und warten, bis einem nach einem schnellen Blick durch den Türspion die Tür geöffnet wird. Anscheinend bringt die offene Radikalität des Hauses nicht nur Freunde...

 

Die erste Band nennt sich Pussyliquor und genauso 'alternativ' wie ihr Name ist auch ihr Auftritt. Optisch bedeutet das vier selbstbewusste Frauen, jede Einzelne etwas unterschiedlich und in ihrem ganz eigenen Stil. Auch äußerlich - mag es jetzt die abgefahrene Frisur, der etwas kräftigere Körper oder das Performen in Sport-BH sein. Sie fallen auf – sehen anders aus, sind alternativ. Vielleicht liegt es an meiner fehlenden jahrzehntelangen Konzerterfahrung, aber es ist tatsächlich das erste Mal für mich, eine Band zu sehen, die ausschließlich weibliche Mitglieder hat. Zwischen den Liedern wird viel geredet, ja beinahe schon getratscht. Man kommt sich vor wie bei einer Bandprobe. Die Mädels machen Witze, beleidigen sich zum Spaß gegenseitig und sind bei alledem unglaublich unterhaltsam. Die Front-Sängerin trinkt natürlich Bier und auch wenn es vielleicht etwas vorurteilig zu sagen ist, verhalten sich die vier so, wie es ihr Äußeres vermuten lässt. Das Gelassene und die 'Scheiß-Drauf-Einstellung' passen einfach.

 

Nach beinahe jedem Song wird die Besetzung durchgewechselt. Mal ist diese die Bassistin, mal jene. Mal spielt die Front-Sängerin zusätzlich Gitarrre, mal nicht. Was sie jedoch auch ganz gut kann, ist, sich in's Publikum zu stürzen und zu pogen, was (eigentlich überflüssig zu erwähnen) natürlich seinen Anklang findet. Trotz des Punk-Ambientes wäre ein Runterbrechen auf dieses Musikgenre aber nicht passend, dafür ist die Musik durch das recht häufige Screamen der Sängerin einfach zu hart. Aber auch so will diese Bezeichnung nicht wirklich voll und ganz ihre Musik beschreiben.

 

Insgesamt macht die Band einfach Spaß und ihr ungewöhnlichen Namens passt zugegebenermaßen schlußendlich doch ganz gut zu den vier Verrückten. Pussyliquor macht nicht den professionellsten Eindruck. Dafür aber einen sehr authentischen.

 

Das Highlight des Abends war für mich die zweite Band. Embet Henx hatte mit Abstand den härtesten Sound verglichen mit den zwei anderen Bands des Abends. Musikalisch ist es zwar schwierig einzuordnen, aber ich würde es als eine Art moderneren und progressiven Metal beschreiben. Viel Screaming – geradezu gar kein Clean-Gesang in den Songs. Die Lieder sind geprägt durch komplexe Rhytmus-Strukturen, die sich jedoch mit eingängigen Phrasen abwechseln.

 

Moderner Metal mit Screaming. Das klingt nach Core; was es aber definitv nicht ist. Weder wechselt sich das Screamen durch in Hooks wiederkehrenden klaren Gesang ab wie im Metalcore, noch nimmt man rhytmisches Gitarrenspiel in Breakdowns wie im Hard- oder Deathcore war. Am besten beschreiben wohl folgende zwei Wörter Embet Henx: Progressiv und hart. In Verbundenheit mit ihrer Performance wohl noch 'abstrakt'. Sie selbst schreiben übrigens Folgendes zu ihrem Genre: „Death Groove Noise Funk Blues Disco Freak Metal Shuffling“. Jo. Damit wäre ja wohl alles geklärt.

 

Besonders interessant ist auch die Performance der Band, wobei gerade der Sänger sich zu inszenieren versteht. Ich weiß weder, ob er auf der „Bühne“ oder in der Crowd, noch ob er stehend oder liegend mehr Zeit während seines Auftritts verbracht hat. Zwischen den einzelnen Liedern liegt er meistens irgendwo auf dem Boden, noch zusammengekauert vom letzten Song, und wimmert, spricht oder „singt“ (wobei dieses Wort nicht ganz beschreiben möchte, was er da tut) in sein Mikrofon, sodass nie Pausen zwischen den einzelnen Songs entstehen. Er artet dabei gelegentlich bis nahezu animalischen Lauten aus, was die Abstraktheit des ganzen Auftrittes noch einmal verstärkt. Zugegebenermaßen bringen sie mich aber auch gelegentlich etwas zum Grinsen, so verrückt erscheint das Ganze. Außerdem scheut er es selbstverständlich nicht mit dem Publikum zu moshen; auch wenn dieses das, wennn auch im kleineren Kreis, auch ohne ihn sehr gut hinbekommt. Ein Moment, der mir besonders hängen geblieben ist, war außerdem, als der Sänger mit einem Klebeband auf drei Leute im vorderen Bereich des Publikums zuging (offensichtlich kannte er sie) und sie kurzer Hand mit dem Klebeband zu einem Menschenknäul einwickelte; was nebenbei bemerkt die drei natürlich nicht vom Tanzen abhielt. Abstrus.

 

Ein bisschen schade wiederum war die Tatsache, dass wie schon bei der Band zuvor kein aufmerksamer, stetig handlungsfähiger Techniker zur Stelle war, wenn es mal Probleme gab. So hatte der Drummer der zweiten Band dermaßene Probleme mit seiner Base-Drum, dass er während des letzten Songs nicht mehr im Stande war zu spielen und sogar schon leicht frustriert sein Schlagzeug abbaute, während seine Bandkollegen noch weitermachten: Gitarrist und Bassist auf ihren verzerrten Instrumenten, der Sänger irgendwo hinten im Publikum auf dem Boden liegend, abgekapselt von der Welt und in seiner eigenen Realität. Wahrscheinlich hatte er nichteinmal von den Problemen seines Schlagzeugers mitbekommen...

 

Insgesamt bleibt also zu sagen, dass Embet Henx abstrakt und hart ist; in Musik und Performance. Es ist außerdem interessant zu beobachten, wie der schnurrbärtige große Mann mit langen schwarzen Haaren aus dem Restaurant zum auf dem Boden umherkriechenden, schreienden, abstrakten Künstler wird und dennoch im kurzen Gespräch, als wir am Abend ein paar Wörter miteinander austauschen, sich wie ein 'ganz normaler Mensch' aufführt. Außenstehende mögen Bands wie diese (und ihre Musik) wohl als verrückt oder sogar wahnsinnig bezeichnen und wahrscheinlich sind sie das auch. Aber letzten Endes bleibt es Kunst. Kunst, die ausdrucksstark und abstrakt ist. Und die von Embet Henx gefällt mir in ihrer Absurdität und Härte besonders gut.

 

Die dritte Band heißt Love Cans und ich muss zugeben, dass ich sie musikalisch wirklich nicht genau einzuordnen weiß. Es ist Rockmusik, das ist klar. Richtung psychedelic rock. Besetzung: Schlagzeug, Gitarre, Keyboard. Ihre Musik ist tragend und der Keyoarder gibt mit seinem Instrument und seiner nicht effektfreien Stimme der Musik einen halligen Charakter. Auf Bandcamp sprechen sie von einem „psych garage blues project“.

 

Sie kommen aus der Schweiz und sind in ihrem Auftreten ähnlich verrückt wie die Band vor ihnen, wenn auch ganz anders. Der Frontmann der Band, Keyboarder & Sänger, ist ein großgewachsener Mann mit längeren Haaren und Cowboyhut. Der Gitarrist trägt teilweise ausschließlich eine Boxershorts, ein großes weißes Tuch, welches um den Hals zugeknotet ist, und seine Brille.

 

Die Band trifft auf recht große Resonanz; ich jedoch bin noch ganz perplex von der Vorband. Es lohnt sich aber auf jeden Fall mal bei Love Cans auf Bandcamp vorbeizugucken.

 

Insgesamt war es also ein sehr interessanter Abend mit vielen verschiedenen und teilweise sehr unterschiedlichen Eindrücken. Jede Band war auf ihre Art ganz eigen; ob durch ihre Musik, ihre Performance, ihrer Art sich zwischen den Songs zu verhalten oder durch ihre äußerliche Erscheinung. Und auch der Cowley Club hat mir durch seine Underground-Art gefallen. Vielleicht verirre ich mich in der Zukunft ja noch einmal hierhin...

 

 

 

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Bis zum nächsten Eintrag,

Pit :)

 

 

 

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Embet Henx:

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Love Cans:

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