Unleash The Sky in der Centralstation Darmstadt
Unleash The Sky in der Centralstation Darmstadt

Abschlusskonzert der Darmstädter Metalcore-Ikone


Mit dröhnendem Kopf steh‘ ich auf dem Platz vor der Centralstation in Darmstadt. Vor einer Woche hatte ich einen Unfall beim Mountainbiken und wie es aussieht, hat sich mein Schädel immer noch nicht davon erholt. Perfekte Voraussetzung für ein Metal-Konzert. Um mich herum stehen meine Freunde und Bekannte von anderen Konzerten. Es wird Bier getrunken, Döner gegessen und irgendeine Gruppe weiter vorne spielt über Lautsprecher Musik. Es war letzten Januar, als ich genau hier Unleash the Sky beim „New Years Bash“ zum letzten Mal gesehen habe.  Die Band aus Darmstadt spielt Metal-Core, und das schon seit mehreren Jahren. Ihr Debutalbum „Hopes, Doubts & Inbetween“ wurde 2011 veröffentlicht; ein Jahr nach Gründung der Band. Ihr zweites Album „Youth“ kam 2015. Während des Songwritings ihres dritten Albums, kam es dann allerdings zu Schwierigkeiten. Auf Facebook erklärte die Band, dass sie gerade an ihre „persönlichen Grenzen“ kämen und sich als Band „schlichtweg im Kreis drehen“. Weiter schrieben sie: „Ihr könnt uns glauben, diese Entscheidung ist uns alles andere als leicht gefallen. Aber in Summe fühlt es sich wirklich richtig an. […] Bevor wir nun kopflos und mit falschen Hoffnungen in diese Sache rennen, bleiben wir lieber stehen und gehen neue Wege. Jeder für sich – aber vereint in Freundschaft.“

Somit war nicht nur der Traum eines dritten Albums geplatzt, sondern auch ein weiterer Weg als gemeinsame Band; was unglaublich schade ist, wenn man Potential und Leidenschaft der Jungs betrachtet. Erst im vergangenen Jahr hatte Gitarrist und Clear-Sänger David Schumann (genannt Dave) die Band verlassen und wurde durch Sven Aprill an der Gitarre und schließlich Marcel Caccamese als Sänger ersetzt. In dieser Konstellation, mit insgesamt einem  Mann mehr und einer neuen Stimme im Gepäck, schien Album Nummer Drei zunächst nichts mehr im Wege zu stehen; mit der neuen Besetzung wäre ein weiteres Album sicherlich auch ein nächster interessanter Schritt in Sachen Bandentwicklung gewesen. Doch zumindest einen gebührenden Abschied lies die Band sich nach ihren mehr als 150 Shows nicht nehmen: Eine gehörige Abschlussfeier mit langem Konzert, zwei Vorbands und einer Aftershowparty. Und so stehe ich nun also in der Heimatstadt der Band auf dem Platz vor der Centralstation und bin darauf gespannt, wie sie ihre letzte Show, ihren letzten gemeinsamen Auftritt als Unleash the Sky meistern werden.

Die Erwartungen sind natürlich hoch. Nachdem das „New Years Bash“ dieses Jahr leider nicht wiederholt wurde, hab‘ ich inzwischen wieder extrem Bock auf die Band. Ihre beiden Alben sind so genial wie stilverschieden. „Hopes, Doubts & Inbetween“ brachte klaren Metal-Core als solchen; schnelle Snear-Schläge, dominierende und auskomponierte Gitarrenstimmen, atmosphärische Gesänge und einen Gesangskontrast zwischen Screamen und Clear-Gesang in Strophen und Refrain. „Youth“ hingegen ist um einiges softer. Vor allem der teilweise mehrstimmige Clear-Gesang in den Strophen verleiht der Musik eine (noch) melodischere Note. „Youth“ baut die atmosphärischen und melodischen Parts aus dem ersten Album noch weiter aus, und überträgt diesen Charakter zusammen mit dem radikalen Rückgang des Screamings auf die kompletten Lieder. So sind beide Alben auf ihre Art genial und die Konzepte gehen auf. Album Nummer 1 bringt harten, starken Metal-Core; klar positioniert mit Scream-Gesang abwechselnd mit melodischen Parts. „Youth“ wirkt hingegen zwar softer und durch Songs wie „B.R.L.D“, „Faithkeeper“ und „Lonely Blue“ insgesamt atmosphärischer, doch verliert dabei keinesfalls den Metal-Core-Stil. Elemente wie E-Drum-Pads, gecuttete Stimmen oder übertriebene elektronische Zusätze bleiben in Gegensatz zu anderen Bands des Genres zum Glück aus. Die Band und damit auch ihr Sound haben sich entwickelt – doch Pop-Rock klingt defenitv anders.

Aufgrund meiner kleinen Gehirnerschütterung musste ich zwar die beiden Vorbands passen, doch glücklicherweise ließ UTS es sich nicht nehmen, ein ebenbürtiges Abschlusskonzert zu spielen, sodass es auch so ein langer und ereignisreicher Abend wurde. Gleich ab dem ersten Moment an wurde klar, dass der Abend durchzogen sein wird von einem höchstemotionalen Unterton. Denn wie immer vor ihren Konzerten stellen sich die Jungs erst einmal in einem Kreis zusammen und singen grölend die erste Strophe zu Don’t Stop Believin‘ der amerikanischen Rockband „Journey“, woraufhin das Publikum sofort mit einstimmt. Die atmosphärische Grundlage ist geschaffen und beide Seiten – Band sowie Fans – haben Bock auf den Abend.

Die Setlist ist gut aufgestellt. Mit „Empty Riverbed“ startet das Konzert direkt mit einem starken Song, der nach vorne geht. In kleinen Blöcken wechseln sich härtere Songs des alten Albums mit softeren Liedern des neueren Albums ab. Nicht nur Marcel als mehr oder weniger neuer Sänger darf an’s Mikro – auch Schlagzeuger Matze singt bei einem der Youth-Lieder; und das richtig gut. Es werden Anekdoten und Erinnerungen an vergangene Touren und gemeinsame Banderlebnisse erzählt, wie eine höchstdramatische Story vor dem Song „Cheap Wine and Golden Dreams“, in der Frontmann Patrick Demuth (besser bekannt als Paddy) eine spektakuläre Weinflaschen-Öffnung mithilfe einer ausgehebelten Tür schildert. Generell genießen die Band-Mitglieder sichtbar ihren letzten gemeinsamen Auftritt. Es wird nochmal unterstrichen, dass ihnen die starke Freundschaft, die während der Bandgeschichte zwischen den Jungs entstanden ist, einfach zu wichtig ist. Niemand will wegen irgendwelcher Streitigkeiten während der Albumproduktion letztendlich zerstritten auseinander gehen. Oder um es wie UTS zu sagen: „Wir wollen nach dem Ganzen trotzdem noch coole Kumpels sein, mit denen man sich einfach mal schön zum Saufen treffen kann“. Ein kleines Highlight ist das Stagediving der anwesenden Frauen der Musiker. Doch nicht nur sie, auch ein paar Kinder der Bandmitglieder lassen sich am Rande der Bühne erkennen. Dass die Band sich Gedanken gemacht hat, wie sie ihren letzten Auftritt würdigen können, merkt man neben den exklusiven „Farewell-Shirts“ nicht zuletzt auch bei ihrem Song 2nd Chapter. Hier heißt es im Refrain anstatt „You think we’re done? I think you’re wrong. […] Chapter two has just begun“ heute Abend: „You think we’re done? I think you’re right. […] Chapter two will end tonight.“

Ein paar Dinge stören mich an diesem Abend aber trotzdem. Nachdem es auf Facebook hieß, dass Paddy in einem „Borat-Mankini über den Luisenplatz rennt und My Way von Frank Sinatra singt“ wenn das Konzert ausverkauft sein sollte, dies aber nicht der Fall war, wurden immer wieder „Ausziehn! Ausziehn!“-Rufe nach den Songs laut. Auch respektlose Einrufe während der Ansagen zwischen den Songs wären auf einem normalen Konzert zwar unnötig, aber nicht unbedingt eine Besonderheit gewesen; Idioten gibt es überall. Aber gerade an diesem besonderen Abend hätte es wirklich nicht sein müssen. Die Krönung war dann ein muskelbepackter junger Mann, der zuvor aufgefallen war, indem er auf einer weiteren liegenden Person stand und beide stagedivend über das Publikum wanderten. Besagter Typ blieb dann auch nach dem Song auf der Bühne stehen um sich und seinen Körper zu inszenieren. Respektlos, peinlich und einfach unnötig.

Nichtsdestotrotz war es ein unglaublich geiles Konzert. Es ist zwar immer etwas Besonderes, die Songs live zu hören, die man schon etliche Male gehört hat und mit denen man so viel verbindet. Doch das Bewusstsein darüber, dass man sie gerade das allerletzte Mal live hört und hören kann, ist dann schon etwas wirklich Krasses. Was mich im Vorfeld besonders beschäftigt hat, war die Frage, ob die Band Lieder aus ihrem Akustik-Repertoire spielen würde. Eine aus beiden Alben auserwählte Sammlung von 5 Liedern wurden von der Band nämlich auch als unplugged arangiert. Beim „New Years Bash“ wurden sie aufgeführt, was damals natürlich auf geteilte Meinungen traf. Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass sie in mitten eines Metal-Konzerts allein stimmungstechnisch als hintereinanderfolgender Block nicht passen, aber dennoch musikalisch gesehen unglaublich gut, wenn nicht sogar perfekt umgesetzt wurden. Dementsprechend hat es mich dann auch nicht gewundert, dass dieser Einschnitt während des Abschlusskonzerts nicht ein weiteres Mal gemacht wurde.

Nach einem mir (und offenbar auch vielen Leuten um mich herum) unbekannten vorletzten Lied, wurde als Closer in der Zugabe natürlich „Back to Zero“ gespielt. Der Song schloss schon das erste Album ab und so endete auch das letzte Konzert von Unleash the Sky mit dem atmosphärischen Outro des Songs und einem Publikum, das immer und immer wieder die letzten Verse singt.

‚I just wanna thank you for every moment.

Every second, every single day‘

Insgesamt lässt sich zu dem Abend sagen, dass UTS einen wirklich würdigen Abschied gefunden haben. Mit den vielen kleinen Einlagen, Gags und selbstverständlich der großartigen musikalischen Darbietung wurde den Zuschauern eine geile Abschiedsshow geboten. Die paar Störenfriede waren nicht weiter relevant; spätestens als Paddy sich dann doch noch am Ende für ein Lied von seinem T-Shirt befreite. Nach dem Konzert gab es noch ein langes Beisammen-Sein; die Bandmitglieder unterhielten sich verteilt mit Fans, man lag sich in den Armen, es wurde geweint. Sicherlich wäre es unglaublich interessant gewesen, welchen Weg Unleash the Sky mit einem dritten Album gegangen wäre. Doch eines wurde in der am Ende herrschenden Atmosphäre nach dem Konzert klar. Es ist zwar alles traurig, doch einen schöneren Abschluss des Ganzen hätte die Band ihren Fans nicht bieten können.